Wind unter Beobachtung
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  Ein Jahr lang wird 140 Meter über dem Hüttenfelder Deponiegelände die Windstärke gemessen, bevor über die Aufstellung von Windrädern entschieden wird.

Bergstraße. Der Bergsträßer Abfallzweckverband ZAKB nimmt in der Diskussion um das geplante Windrad auf dem Hüttenfelder Deponiegelände ein wenig die Luft heraus. Um die Wirtschaftlichkeit einer solchen Anlage seriös kalkulieren zu können, wird der Entsorger ein ganzes Jahr lang den tatsächlichen Wind in 140 Metern Höhe über der Deponie messen. Damit verschiebt sich auch die Entscheidung für oder gegen den Rotor auf die zweite Jahreshälfte 2014. Thomas Metz als Vorsitzender des Verbandsvorstands gab die Marschrichtung vor: "Es geht nicht um Schnelligkeit, sondern um Gründlichkeit." Das nahmen auch die Zuschauer zur Kenntnis, die zur frühen Morgenstunde in ungewohnter Anzahl die hinteren Reihen des Sitzungssaals auf dem ZAKB-Gelände füllten.

Schließlich stößt das Vorhaben besonders in Lampertheim-Hüttenfeld auf massiven Widerstand. Vor allem die Wirtschaftlichkeit und die Standsicherheit ziehen die Bürgerinitiative "Gegenwind" und der Verein "Pro Hüttenfeld" in Zweifel. Auch sämtliche Fraktionen im Ortsbeirat sind deutlich auf Abstand zu dem Projekt gegangen, nachdem die Lampertheimer Stadtverordnetenversammlung zuvor einstimmig für die Windenergie auf dem Deponiegelände votiert hatte. Deshalb erwartet Jens Klingler, ebenfalls Mitglied der ZAKB-Verbandsversammlung, mit Spannung die nächste Abstimmung im Stadtparlament zu diesem Thema.

Bürgerinformation vor Entscheid

Thomas Metz versicherte indessen auf Klinglers gezielte Nachfrage, dass in jedem Falle eine öffentliche Veranstaltung zur Bürgerinformation stattfinde, noch bevor eine Entscheidung getroffen werde. Allerdings mache eine solche Veranstaltung auch erst dann Sinn, wenn die Ergebnisse aller Gutachten rund ums Windrad vorlägen. Im Übrigen beginne erst dann die Dreimonatsfrist, innerhalb derer das Regierungspräsidium über die Genehmigung entscheiden müsse.

Es gebe im ganzen Kreis Bergstraße keinen zweiten Standort wie das Deponiegelände, warb Metz zum wiederholten Male für das Projekt. Anders als auf freiem Feld oder auf bewaldeten Hügeln seien hier mit Wegen und Leitungen wichtige Infrastrukturen bereits vorhanden. Auch dass der ZAKB bereits Eigentümer des Geländes sei, könne sich am Ende vorteilhaft auf die Wirtschaftlichkeit der Anlage auswirken. Zudem gebe es vor dem Deponieberg durch den sogenannten Haldeneffekt günstige Windströmungen. Aber genau dieses wolle man durch eine ganzjährige Messung genauer wissen, so der Kreisbeigeordnete.

Das Genehmigungsverfahren für das Windrad beim Regierungspräsidium läuft, wie Hilbert Bocksnick in seinem Sachstandsreferat schilderte. Mittlerweile hätten mehrere Behördentermine stattgefunden, bei denen Gutachten abgestimmt und auf den Weg gebracht worden seien. Unter anderem würden auch die Vogelarten, die einem Windrad in die Quere kommen könnten, in einem Umkreis von drei statt einem Kilometer untersucht.

Die einjährige Windmessung lässt sich der ZAKB übrigens rund 100 000 Euro kosten. Dieser Betrag soll auch in die Beteiligung einfließen, über die der Zweckverband derzeit mit den Versorgern Energieried und GGEW verhandelt. Ziel ist es nämlich, eine gemeinsame Betreibergesellschaft zu gründen, an der der Zweckverband 50 Prozent halten soll. Die andere Hälfte sollen sich Energieried und GGEW teilen.

Gleichwohl sorgte der Bericht für eine Grundsatzdiskussion, die vor allem die FDP-Vertreter in der Verbandsversammlung vorantrieben. Man müsse das Projekt auch von der Platte ziehen können, wenn sich's nicht rechnet - auch aus der Verantwortung gegenüber dem Gebührenzahler, forderte etwa der Bensheimer FDP-Chef Holger Steinert (Bild). Ihm ist das zunehmend privatwirtschaftliche Engagement des ZAKB ohnehin ein Dorn im Auge.

Auch Roland von Hunnius kommentierte die Windenergiepläne kritisch. Gemeinsam mit ihrem Bürstädter Parteifreund Burkhard Vetter und dem Einhäuser CDU-Mann Armin Kromer versagten sie zu viert am Ende ihre Zustimmung zum Beschluss der einjährigen Windmessung.


Metz-Positionen zur ZAKB-Windkraft Verbandsvorstand Thomas Metz ist darauf bedacht, den Sturm um das geplante Hüttenfelder Windrad nicht zum Orkan werden zu lassen. "Wir müssen die Befürchtungen aus der Bevölkerung ernst nehmen". Man wolle nach Möglichkeit alle Bedenken ausräumen. Auch widerspricht er kursierenden Gerüchten, das Windrad könne ein Abschreibungsobjekt sein: "Wir haben eine positive Gewinn-Erwartung." Allerdings sei der ZAKB kein privatwirtschaftliches Unternehmen, das eine Gewinnoptimierung als Basis ihres Geschäfts betreibe. Maßstab sei: Das Projekt Windenergie müsse wirtschaftlich durchgeführt werden, "damit ein Plus für die Gebührenzahler dabei herauskommt".


ZAKB: Verluste im ersten Quartal Bergstraße. Unterm Strich musste Geschäftsführer Hilbert Bocksnick fürs erste Quartal einen Verlust im operativen Geschäft vermelden. Die Stimmung mochte es dem scheidenden Geschäftsführer des Bergsträßer Abfallzweckverbandes ZAKB nicht vermiesen. War es doch Bocksnicks letzte Sitzung der Verbandsversammlung. Der Geschäftsführer der ersten ZAKB-Stunde wird sich am 28. Juni in den Ruhestand verabschieden.

Kalkulierte Einbußen

Außerdem kommt der Verlust von 389 000 Euro nicht aus heiterem Himmel. Zum einen gelten seit Januar die gesenkten Abfallgebühren im Verbandsgebiet, zweitens sind die eingesammelten Abfallmengen und damit auch die Einnahmen aufgrund des anhaltend schlechten Wetters im Winter und Frühjahr im Schnitt um zehn Prozent zurückgegangen. Und schließlich sind drittens die Verwertungspreise, die sich derzeit am Markt etwa für Altpapier erzielen lassen, im Keller. Bocksnick kennt auch die Zahlen aus der Nachbarschaft. Auch dort gebe es Minus-Ergebnisse. Der Zweckverband geht jedoch davon aus, dass sich der Trend nicht fortsetzt und hofft auf positive Effekte aus dem Kreislaufwirtschaftsgesetz sowie der Preisentwicklung bei der Müllverbrennung. Sollte sich die Tendenz dennoch fortsetzen, hat der Verband 1,69 Millionen Euro als Puffer auf der hohen Kante, um die Miesen auszugleichen.

Baubeginn im September

Die Biogasanlage auf dem Gelände des Heppenheimer Abfallwirtschaftszentrums kann nun gebaut werden. Das Regierungspräsidium hatte das Projekt genehmigt. Diese Woche ist der Bauvertrag unterzeichnet worden, wie Verbandsvorstand Thomas Metz erläuterte. Baubeginn ist voraussichtlich im September. Außerdem beschoss die Verbandsversammlung gestern Vormittag einstimmig die Bündelung aller Aktivitäten im Zusammenhang mit der Erzeugung erneuerbarer Energien in der ZAKB Energie- und Dienstleistungs-GmbH. Und nicht zuletzt informierte Bocksnick darüber, dass der ZAKB ab dem 1. Juli im gesamten Verbandsgebiet kostenlos Kompost in Kleinmengen abgibt. bjz/sm

Südhessen Morgen, Mittwoch, 19.06.2013

 
 
 
 
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