Zwischen Bensheim und Bayern
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  Bensheim. Die intensive Nutzung seines städtischen Dienstwagens könnte für Stadtrat Adil Oyan (Grüne) ein politisches Nachspiel haben. Denn die Diskussion dreht sich nur noch am Rande darum, warum der Kämmerer innerhalb von zehn Monaten 29 000 Kilometer gefahren ist. Vielmehr geht es um das Amtsverständnis des 46-Jährigen, der seinen Erstwohnsitz nach wie vor im bayrischen Wasserburg am Inn hat.

Die Bensheimer FDP-Fraktion, durch deren Nachfrage bei der Verwaltung die Dienstwagen-Debatte erst ausgelöst wurde, sieht ein grundsätzliches Problem: "Adil Oyan ist hier noch nicht angekommen", meint Fraktionschef Holger Steinert. Er habe kein persönliches Problem mit dem Stadtrat, aber wenn er das Gefühl bekomme, dass etwas zum Schaden der Stadt läuft, müsse man nachfragen.

Als gut bezahlter Wahlbeamte müsse sich Oyan mit voller Kraft seinen Aufgaben in Bensheim widmen. "Der Posten ist keine Nebenerwerbsquelle für bayrische Ehrenamtliche", spielte Steinert auf die kommunalpolitischen Ämter an, die der 46-Jährige in seiner Heimatstadt ausübt. Dort ist der Grünen-Politiker als ehrenamtlicher Stadtrat (in Hessen gleichzusetzen mit einem Stadtverordneten) und als Mitglied im Bezirkstag tätig. Für diese Position kandidiert Oyan wieder im September dieses Jahres.

"Kein Selbstbedienungsladen"

Steinert hat das Internet für eine - wie er sagt - schnelle Recherche bemüht und dabei neun Sitzungen in den vergangenen zwölf Monaten gefunden, an denen der Bensheimer Stadtrat in Bayern teilgenommen hat. Und das dürften seiner Einschätzung nach nicht alle gewesen sein.

"Ich glaube nicht, dass er dafür ein Flugzeug oder die Bahn genommen hat. So würde sich auch seine hohe Fahrleistung erklären. Das geht aber nicht. Wir sind hier kein Selbstbedienungsladen", kritisierte der FDP-Fraktionsvorsitzende. Ob tatsächlich die meisten Fahrten des hauptamtlichen Magistratsmitglieds dienstlicher Natur waren, zieht Steinert deshalb in Zweifel. Oyan hatte gestern im Bergsträßer Anzeiger betont, dass er seinen Wagen überwiegend dienstlich nutzen würde.

Bei seinem Amtsvorgänger Matthias Schimpf habe man dessen kommunalpolitisches Engagement in Groß-Gerau hingenommen, "weil es nur ein paar Kilometer waren", so Steinert. Schimpf hatte nach seinem Wechsel ins Bensheimer Rathaus Ende 2001 alle Mandate niedergelegt und war erst 2006 wieder für die Grünen ins dortige Stadtparlament als Fraktionsvorsitzender eingezogen.

Der Grünen Liste wirft die FDP vor, sich nicht richtig darum gekümmert zu haben, dass "ihr Mann" in Bensheim tatsächlich ankommt. Steinert kündigte an, dass die Schonzeit nach einem Jahr im Amt vorbei sei. "Er muss sich hier endlich reinfinden und seine Einstellung ändern."

Nach der schriftlichen Beantwortung der erneuten Anfrage der FDP in der Sitzung der Stadtverordneten am 7. Februar will sich die Fraktion besprechen und womöglich Konsequenzen fordern. Im Mittelpunkt könnte die Forderung stehen, dass Adil Oyan seinen Lebensmittelpunkt nach Bensheim verlagert - und dass generell die Dienstwagenpraxis der Verwaltung hinterfragt wird.

Herrmann ein "Berufskraftfahrer"

Nicht nur die Kilometerzahlen des Stadtrats, auch die Fahrleistung von Rathauschef Thorsten Herrmann (CDU) lösen bei Steinert Kopfschütteln aus. "Bei allem Respekt für die vielfältigen Aufgaben des Bürgermeisters: Man muss sich schon die Frage stellen, ob er Berufskraftfahrer von Beruf ist oder Bürgermeister."

Herrmann war von Februar bis Ende November 34 000 Kilometer mit seinem Dienstwagen unterwegs - "im Schnitt 100 Kilometer am Tag. Wo fährt der denn überall hin?", legte der langjährige Stadtverordnete nach.

Die Bensheimer Grünen befassten sich nach Auskunft ihrer Fraktionsvorsitzenden Doris Sterzelmaier gestern Abend mit der Entwicklung, über die die GLB nicht glücklich sein dürfte.

© Dirk Rosenberger , Bergsträßer Anzeiger, Donnerstag, 17.01.2013

 
 
 
 
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