FDP sieht bei Herrmann „blinden Aktionismus“
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  Bensheim. Mit Verwunderung hat die FDP-Fraktion die jüngste Stellungnahme von Bürgermeister Thorsten Herrmann zur Kenntnis genommen, wonach er "völlige Transparenz" in der Architekten-Affäre schaffen will - und welcher Mittel er sich dabei bedienen möchte. Leider zeigten Herrmanns Ausführungen, so Fraktionsvorsitzender Holger Steinert (Bild), dass die öffentlichen Äußerungen des Bürgermeisters weniger auf Sachverstand und Kenntnis der Vorschriften beruhen als eher von Panik und Kopflosigkeit getrieben sein dürften.

Erstens könne der Bürgermeister als Betroffener und Regressbedrohter, solange das Gerichtsurteil noch nicht rechtskräftig und das Verfahren definitiv abgeschlossen ist, überhaupt nirgendwo öffentliche Darstellungen zum Besten geben - egal ob in Ausschüssen, in der Stadtverordnetenversammlung oder gar der Presse. Das bedeute, dass er in eigener Sache nicht sprechen dürfe, da die Schadenersatzforderung gegen ihn im Raum stehe, über die Magistrat und Stadtverordnetenversammlung erst noch entscheiden müssten. Das regele unter anderem Paragraf 25 der Hessischen Gemeindeordnung, wogegen der Bürgermeister durch seine Presseverlautbarungen schon jetzt verstoßen habe. Zudem müsse der Magistrat ohne Herrmanns Mitwirkung erst einmal einen Beschluss fassen, ob der Bürgermeister nach Meinung des Gremiums befangen ist und eine Interessenkollision besteht oder nicht.

Zweitens könne ein Akteneinsichtsausschuss noch gar nicht gebildet werden, da das ganze Verfahren noch nicht beendet sei. Zudem müsste ein solcher Ausschuss erst von einer oder mehreren Fraktionen beziehungsweise einem Viertel der Stadtverordneten im Stadtparlament beantragt und personell gebildet werden. Aber ein solcher Akteneinsichtsausschuss trage entgegen Herrmanns Behauptungen überhaupt nicht zur Transparenz bei, da er nichtöffentlich tage und ihm nur die Unterlagen des Bürgermeisters zur Einsicht stünden, nicht aber die der Gegenseite. Außerdem gebe es, wie der Bürgermeister jahrelang bekundet habe, angeblich auch gar keine nennenswerten Akten, die man einsehen könne.

Schon im Januar 2009 habe ein informelles Gespräch zu diesem Thema im Rathaus stattgefunden - zwischen Herrmann sowie den Fraktionsvorsitzenden der Opposition, Christine Klein (damals noch SPD), Günther Müller-Falcke (FWG) und Holger Steinert (FDP), nachdem Herrmann dies der Opposition im Herbst/Winter 2008 im Stadtparlament nach - wie man heute weiß - berechtigten Anwürfen in dieser Affäre angeboten habe. Zur Verblüffung der drei Fraktionsvorsitzenden habe Herrmann einen Anwalt und eine städtische Bedienstete mitgebracht und langatmig erklärt, dass es eigentlich nichts vorzuzeigen gebe. Vorgelegt worden sei seinerzeit damals ein 20-seitiges DIN-A4-Exposé des Projektentwicklers OFB zum Thema 4-Sterne-Hotel - ohne Datum oder Eingangsstempel - sowie ein ca. 70-seitiges DIN-A4-Exposé mit Planskizzen ohne jegliche textliche Ausführungen von Architekt Rohde, ebenfalls ohne Datum beziehungsweise Eingangsstempel. Dieses informelle Treffen, das man - so Steinert - getrost als Inszenierung bezeichnen könne, habe der Bürgermeister auch noch per Protokoll dokumentieren lassen, was jedoch zu Änderungsanforderungen der drei Oppositionsvorsitzenden geführt habe. Jetzt aber soll es laut Bürgermeister darüber hinaus plötzlich Akten und Unterlagen in nennenswertem Umfang geben, die nach Einschätzung von Herrmann zur Transparenz beitragen könnten und die nach seiner Meinung einen Akteneinsichtsausschuss rechtfertigten, wundert sich Steinert. Entweder habe der Bürgermeister damals gelogen, oder er tue es jetzt.

Für die FDP-Fraktion sehe das alles nach blindem Aktionismus aus, der nur vernebeln solle, dass der Rathauschef eine Dienstpflichtverletzung begangen habe und der Stadt Bensheim großer materieller und rufmäßiger Schaden entstanden sei. Wenn der Bürgermeister der Überzeugung sei, keine solche Dienstpflichtverletzung begangen zu haben, könne er ja ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst bei der Kommunalaufsicht beantragen. Fraktionsvorsitzender Steinert ist sich laut Presseerklärung sicher, dass es über die bereits bestehende Strafanzeige mindestens eine weitere wegen Untreue gemäß Paragraf 266 Strafgesetzbuch, Dienstaufsichtsbeschwerden und einen Antrag zur Erzwingung eines Disziplinarverfahrens gemäß Paragraf 75 HGO im Stadtparlament geben werde. Dabei werde es zum Schwur kommen, wer ungesetzliches Handeln zum Schaden der Stadt und ihrer Bürger decke und wer nicht.

Abschließend beschäftigte sich die FDP-Fraktion auch noch mit der Verlautbarung des CDU-Fraktionsvorsitzenden Woißyk, wonach dieser jetzt alles unterstützen wolle, was zur Aufklärung beitrage. Die Freien Demokraten fühlen sich und die gesamte Opposition - so die Presseerklärung der FDP - durch diese Äußerungen verhöhnt. Schließlich sei es doch gerade der CDU-Fraktionsvorsitzende, der - durch Stadtparlamentsprotokolle und Zeitungsarchiv belegbar - jahrelang das Gegenteil betrieben und die kritische Opposition "abgebügelt" habe. Dass er diejenigen, die gemäß ihrem Auftrag nach der Hessischen Gemeindeordnung und der Verfassung korrektes und transparentes Handeln anmahnen und durchsetzen wollten, nun abfällig und überheblich als "selbst ernannte Aufklärer" bezeichne, zeige sein Verständnis von Demokratie und Ehrlichkeit. Der CDU-Fraktionsvorsitzende würde sich besser in Zurückhaltung üben, seien es doch er und seine Fraktion gewesen, die nicht in der Lage gewesen seien, ihren Parteifreund Herrmann zu kontrollieren. Stattdessen hätten sie ihn absolutistisch handeln lassen - nicht nur beim Thema Rohde-Affäre, heißt es abschließend in der Presseerklärung der Liberalen. zg

Bergsträßer Anzeiger, Freitag, 04.05.2012

 
 
 
 
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