Wind und Sonne allein reichen noch nicht aus
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  Bensheim. Ist die Zeit schon reif, um die Energieversorgung im Land vollständig auf natürliche Lieferanten wie Wind und Sonne umzustellen? Ein kollektives "Nein" zur radikalen Energiewende äußerten drei Experten im Rahmen eines Dialogforums, zu dem am Freitag der FDP-Stadtverband nach Bensheim eingeladen hatte.

Im Hotel Felix diskutierten zwei Diplom-Ingenieure und ein Energieprofessor aktuelle Themen wie Versorgungssicherheit, technische Perspektiven und die Bezahlbarkeit neuartiger Energieformen.

Photovoltaik "ist überbewertet"

Prominentester Redner war Dr. Gerd Balzer von der Technischen Universität Darmstadt. Der Professor für Energieversorgung ist ein erklärter Gegner des Atomausstiegs und stützte sich auf die faktische Ausgangslage, nach der etwa 70 Prozent der Bruttostromerzeugung aus den fossilen Energiequellen Kernenergie und Braunkohle abgedeckt wird.

"Die stellen wir zur Diskussion, wenn wir über erneuerbare Energien reden." Wind- und Wasserkraft als anteilig größte regenerative Energieformen spielen laut Balzer eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Die Photovoltaik sei mit rund vier Prozent ebenso unterrepräsentiert wie überbewertet. Gegenüber den Nutzungsmöglichkeiten von Biomasse ist der Professor grundsätzlich skeptisch eingestellt, wie er in Bensheim betont.

Vor allem in punkto Wirksamkeit seien herkömmliche Energieträger den regenerativen deutlich überlegen. Die Umwandlung von Wind und Sonne bezeichnete Balzer als ungleich aufwendiger, um am Ende die gleiche Energiemenge zu erzeugen: Das Verhältnis von Photovoltaik zu Atomenergie betrage acht zu eins.

Die relative Zunahme der Photovoltaik begründet Balzer in der politisch gewollten Förderung durch die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgesetzte Einspeisevergütung. Der Steuerzahler finanziere auf diese Weise das durch Solarkraft forcierte Einkommen einer privilegierten Minderheit. "Ich glaube nicht, dass die Bevölkerung sich das noch lange gefallen lässt."

Diese Entwicklung führe zu weiter steigenden Energiepreisen. Die am Ende Ausschlag gebende Frage sei nicht technischer Natur. Es gehe nicht um das, was theoretisch möglich ist, sondern darum, ob eine Nation die entsprechenden Kosten und Infrastrukturmaßnehmen übernehmen will.

Mehr politische Bodenhaftung

Mehr politische Bodenhaftung fordert auch der Bensheimer Ingenieur Eberhard Wagner. Der Autor zahlreicher Publikationen über Erneuerbare Energien erteilt der Effizienz von Windkraftanlagen eine klare Absage. "2010 war ein ganz mieses Windjahr". Wagner war früher beim Verband für Elektrizitätswirtschaft in Frankfurt (heute Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft) in Berlin beschäftigt und erkennt in Deutschland in punkto Windstärke ein klares Nord-Süd-Gefälle.

Der Betrieb von Windkraftanlagen im Raum Südhessen sei demnach nicht tragbar. Darüber hinaus trügen starke Intensitätsschwankungen auch in einem kurzen Zeitrahmen zu einer quantitativ wackligen Energieerzeugung bei.

Selbst Off-Shore-Anlagen (auf dem offenen Meer) könnten derzeit keine Versorgungssicherheit bieten. Zur Vergütungsstrategie des EEG sagte Wagner: "Die Politik schmiert das Volk an." Manfred Szczesny (Vorstandsmitglied bei der Lorscher FDP) erkennt in der Einspeisevergütung ein Umverteilen von unten nach oben: "Die PV-Anlagen stehen doch bei den Besserverdienern."

Es geht nur ums Geldverdienen

Der Diplom-Ingenieur sei nicht grundsätzlich gegen Solarenergie, kritisierte aber die private Nutzung solcher Anlagen als "ausgemachten Unsinn". Die Motivation der Sonnen-Anbeter sei weniger in ökologischen, ethischen oder autonomen Vorteilen zu finden, sondern zeige sich vor allem in einem finanziellen Vorteil. "Es geht ums Geld verdienen. Aber darüber redet natürlich keiner."

Seine Absage begründete Szczesny mit den erheblichen Abweichungen in den Wirkungsgraden kleinerer Anlagen: Während im Sommerhalbjahr ein Überschuss produziert werde, reiche die Sonneneinstrahlung im Winter in unseren Breiten nicht aus, um den technischen und finanziellen Aufwand aufzuwiegen.

"Das ist aus wirtschaftlicher Sicht nicht zu akzeptieren." Um ein fossil betriebenes Großkraftwerk ein Jahr lang vom Netz nehmen zu können, müsse man die zweifache Fläche des Kreises Bergstraße mit Solarkollektoren bedecken. tr

Bergsträßer Anzeiger 06. Dezember 2010

 
 
 
 
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