Scharnier zwischen Schwarz-Grün
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  Bensheim. "Jamaica Farewell" spielte Pianist Rudi Olbrich nach der Rede des saarländischen FDP-Landesvorsitzenden. Das bundesweit erste schwarz-gelb-grüne Bündnis ist allerdings noch blutjung - und von einem Abschied (Farewell) ist nicht die Rede. Dennoch spiegelt die außergewöhnliche Dreier-Koalition für Dr. Christoph Hartmann alles andere als eine Wunsch-Ehe, in die er mit Sehnsucht nach ewiger Treue eingeheiratet hat. Vielmehr sei es eine politische Affäre, die wenigstens fünf Jahre zum Vorteil aller Beteiligten gutgehen könne. "Koalitionen bedeuten immer einen Kompromiss. Hier haben sich drei sehr unterschiedliche Parteien zusammengetan", sagte der Minister für Wirtschaft und Wissenschaft über das Reibungspotenzial der bunten Partnerschaft.

Einige Kröten geschluckt

Für die FDP im Saarland habe sich im Vorfeld der Entscheidung die Frage gestellt, wie man eine Regierungsbeteiligung durchboxen und dabei gleichzeitig ein rot-rotes Bündnis verhindern kann. Allein dies sei schon ein Grund dafür gewesen, dem Koalitionsvertrag zuzustimmen, so der 37-Jährige in Bensheim. Zwar habe man während der langwierigen Verhandlungen und Sondierungsgespräche einige Kröten schlucken müssen, inhaltlich sei das Papier aber "der liberalste Koalitionsvertrag, den es in Deutschland jemals gegeben hat". Gerade in der Innen- und Rechtspolitik trage das Papier eine erkennbar liberale Handschrift. Ein Ampel-Bündnis von SPD, FDP und Grünen schob Hartmann von Beginn an als unrealistisch in die Ablage. Gereicht hätte es ohnehin nicht. Seit 1985 sind die Liberalen im Saarland erstmals wieder an einer Landesregierung beteiligt. Hartmann definiert seine Partei als eine Art Scharnier zwischen Schwarz und Grün. Trotz klarer Differenzen inhaltlicher Art gebe es auch Überschneidungen, deren konstruktive Betonung dazu beitragen könnte, politische Grabenkämpfe und chronisches Lagerdenken zu überwinden. Aus den elementar unterschiedlichen Meinungen zu wichtigen Themen macht Hartmann aber keinen Hehl: So seien beispielsweise das scharfe Nichtraucherschutzgesetz und die Ablehnung von Studiengebühren aus liberaler Perspektive kaum tragbar. Jetzt will die FDP ihre Positionen klar abstecken und im Dreierbündnis durchsetzen. "Es geht hier um Schicksalsfragen", so Hartmann, der das wirtschaftlich besonders gebeutelte Saarland mit Jamaika wieder in Form bringen will.

Keine FDP-Hochburg

Strukturell ist das kleinste der westlichen Bundesländer nicht gerade eine FDP-Hochburg: "Wenig Selbstständige und Freiberufler, viele Arbeitnehmer katholischer Prägung", so der Gelbe im Jamaika-Trio, der in den eigenen Reihen als aufstrebender Jungstar mit neosozialem Unterbau gilt. Gerade deshalb ist er sehr erfreut über die vielen Wählerstimmen für das liberale Lager. Der gelernte Bankkaufmann und promovierte Betriebswirt hat die neue Farbenlehre spätestens seit seinem Wahlkampf offen propagiert und durch sein gutes Abschneiden bei der Landtagswahl dabei geholfen, die FDP Jamaika-fähig zu machen. Drei sind gut, aber zwei sind besser: Mit Blick auf Hessen betonte Hartmann, dass sich hier mit Schwarz-Gelb ein schlagkräftiges Duo gefunden habe - anders als an der Saar eine veritable Wunsch-Ehe, die seit ihrem Inkrafttreten viel Gutes in die Wege geleitet habe. Dass die Bundes-FDP für die von ihr geforderten Steuersenkungen öffentlich so sehr geprügelt werde, kann er indes nicht nachvollziehen. Die Kunde, dass die Mehrheit der Deutschen im laufenden Jahr keine Senkungen will, verweist er ins Reich der statistisch beschleunigten Märchen. Mit Mut und Selbstbewusstsein wolle man in Berlin dafür eintreten, dass eine Reform des Steuersystems ("einfacher, niedriger, gerechter") durchgesetzt werde. Auf Bundesebene sei die FDP angetreten, ihre Wahlversprechen einzuhalten und der CDU in wesentlichen Fragen Beine zu machen. Die Kanzlerin habe zwischenzeitlich sehr müde gewirkt und inhaltlich wenig nach vorne gebracht. "Sie hat nur moderiert. Diesen Job hätte auch Sabine Christiansen machen können." tr

Bergsträßer Anzeiger 19. Januar 2010

 
 
 
 
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