Schlachthof Bensheim: Betreiber kritisiert bei Ortstermin enormen Bürokratie-Aufwand / Profitables Arbeiten in krisenreichen Zeiten
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  Schlachthof Bensheim: Betreiber kritisiert bei Ortstermin enormen Bürokratie-Aufwand / Profitables Arbeiten in krisenreichen Zeiten

Nicht nur Rinder auf der Schlachtbank

Bensheim. Die Bergsträßer Liberalen wiederholten bei einem Besuch ihres landwirtschaftspolitischen Sprechers im Landtag, Heinrich Heidel, ihr früheres Angebot an den Schlachthof-Eigentümer Norbert Lulay: In Notsituationen möge sich dieser an das Land wenden, um dort um Hilfe, möglicherweise auch in Form von Bürgschaften, zu bitten. Man werde derlei Anfragen unterstützen.

Der Bensheimer FDP-Fraktionsvorsitzende Holger Steinert und der Bergsträßer Kreis- und Fraktionsvorsitzende, Landtagskandidat Frank Sürmann, ließen keinen Zweifel daran, dass ein regionaler Privatbetrieb, der noch mehr als die kommunalen Schlachthöfe mit einem Wust an Bürokratie, ungleicher Konkurrenz und Wettbewerbsverzerrung zu kämpfen hat, die volle Unterstützung der Politik braucht.

Der privat geführte Bensheimer Schlachthof - einer der wenigen Nichtkommunalen in der gesamten Region - sei ein glänzendes Beispiel dafür, dass es, allen Pleiten zum Trotz, möglich sei, profitabel zu wirtschaften.

Fleischskandale überlebt

Seit nunmehr zwei Jahren wird der Schlachthof nach dem Ausscheiden der beiden Mitgesellschafter Ralf Paulin (2006) und Karl-Heinz Baier (2001) von Norbert Lulay und seinem Junior Achim betrieben. Dass man die schwere BSE-Krise Anfang der 90er Jahre, die folgenden Fleischskandale und die damit verbundenen finanziellen Einbußen überlebt hat, ist laut Lulay vor allem dem Umstand zu verdanken, dass in Bensheim nicht nur Rinder geschlachtet werden.

Pro Woche sind es zirka 70 Rinder, einige Schafe und 800 Schweine. Geschlachtet wird an drei Tagen, beziehungsweise in drei Nächten. In den frühen Morgenstunden wird das Fleisch zu den Abnehmern - Metzgereien, Supermärkte, Gastwirtschaften im Odenwald und Selbstvermarktern - gefahren.

Dass sich auch ein Schlachthof immer wieder aufs Neue mit den sich ständig ändernden Verzehrgewohnheiten der Verbraucher auseinander setzen muss, zeigt die Zunahme an Fertiggerichten.

Während sich viele Metzgereien mit Frühstücksbüfetts oder einem Partyservice ein zusätzliches Standbein geschaffen haben, gibt es für den Schlachthof keinen Zusatzverdienst: Dessen Umsatz geht zurück, zieht Lulay, der sich als reiner Dienstleister sieht, ein ernüchterndes Fazit. Kritik wurde sowohl von den FDP-Politikern als auch vom Schlachthof-Besitzer an zum Teil unsinnigen Doppelkontrollen, an einer Vielzahl von praxisfremden Vorschriften, Regeln und einer daraus entstehenden "wahnwitzigen Kostenspirale" laut.

Keine Qualitätssicherheit Der "Bürokratisierungs-Wahnsinn" sei von der Politik und dem Lebensmittelhandel geschaffen, bringe aber letztendlich keine Qualitätssicherheit. Es habe sich gezeigt, dass sich damit Fleischskandale nicht vermeiden und kriminelle Energien nicht unterbinden lassen. Der Verbraucher sei mittlerweile durch Gammelfleisch und einigen schwarzen Schafen derart verunsichert, dass eine Vermarktung von Fleisch ohne zusätzliche Zertifizierung kaum noch möglich sei. Eine gesetzliche Verpflichtung gebe es dafür allerdings bislang noch nicht.

Wenige Kontrollen, stattdessen ausschließlich solche auf hohem Niveau, wünschen sich Politiker und der Bensheimer Schlachthof-Besitzer. Die beste Kontrolle und Qualitätssicherheit für den Verbraucher, auch hierin war man sich einig, sei eine Regionalisierung, sprich kurze Transporte. Statt Vieh kreuz und quer durch halb Europa zu karren, gelte es, die Anreize für regionale Produkte zu verstärken. Dass auch die in Europa gängige, unterschiedliche Auslegung von EU-Vorschriften deutschen Schlachthöfen zu schaffen macht, belegte Norbert Lulay anhand mehrerer Beispiele.

"Der Kunde hat ein Recht auf eine gute Beratung und Aufklärung", übte der Schlachthof-Besitzer Kritik daran, dass es in Metzgereien immer häufiger an qualifiziertem Fachpersonal fehlt. Solange der Verbraucher nicht darüber aufgeklärt werde, dass hellweißes Kalbfleisch aus Holland keineswegs zarter auf der Zunge zergeht als etwa rötliches Fleisch aus Deutschland, bleibe Letzteres ein Ladenhüter. Völlig zu Unrecht, wie der Experte bedauert. gs

Aus dem Bergsträßer Anzeiger vom 03. Januar 2009

 
     
 
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